Palzer Scannel Wood
NACHMITTAG EINES FAUNS
Chansons
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Calle 3:13 / Meßbuch 3:58 / Windjammer Jam 4:05 / Realitätsprinzip II 2:55 / Superkomisch 3:50 / Sie ist Mist 4:20 / Zinnbecher II 2:55 / Luna Park 2:39 / REM 4:40 / Navy Cut 5:30 / Spätes Mädchen (Ich bin schon fast 40) 4:32 / Volume 4:20 / Nachmittag eines Fauns 2:25 / Strohfeuer 2:25 / Schwarzer Atlas 4:05 / Status Quo 3:05 / Unterm Hut 3:05
Totalzeit: 62:02
Texte von Thomas Palzer
Musik von Stefan Wood
Aufgenommen in München, Sommer 1994 // Frühling / Sommer 1995 // Frühjahr 1996.
Gemischt bei Melnik @ Groovnik Studio, München, und Jens Ohly im Ohly Only Studio, Herbst 1995 / Frühjahr 1996
Gastgesang Sabine Gietzelt
Cover Michaela Melián
Titel Stéphane Mallarmé
Grafik Design: Hias Schaschko
Foto: Matthias Beckel
Nachmittag eines Fauns ist aus dem Hörspiel Journal intime, LP hervorgegangen, das der Bayerische Rundfunk am 7. Juni 1996 um 22:05 Uhr auf BR2 ausstrahlte. Produktion: Karl Bruckmaier. Dramaturgie: Christoph Lindenmeyer / Herbert Kapfer
Chansons – das sei „eine mindere Kunst für minderjährige Mädchen“ hat der Erfinder des Drei-Tage-Barts, Serge Gainsbourg, einmal gesagt. Recht hat er. Minderjährige Mädchen gibt es wieder genug, seit den französischen Poeten und Bürgerschreck das Zeitliche gesegnet hat – aber Chansons? Nein, all die Mädchen, die inzwischen nachgewachsen sind und unermüdlich weiter nachwachsen, und all die ewig minderjährigen Frauen wollte ich nicht länger mit sich allein lassen – auch wenn ich es in den Tagen, nachdem Gainsbourg gestorben war, als Poet und als Bürgerschreck noch längst nicht so weit gebracht hatte wie dieser, der im übrigen an dem Weg mitgebaut hat, der in Frankreich die Strecke zwischen Michèle Morgan und Charlotte Gainsbourg bemißt. Aber immerhin sah ich mich als den ersten Serge Gainsbourg in unserem Häuserblock. So beschloß ich, meinerseits an dem Weg mitzubauen, den Deutschland von Karin Dor zu Kristiane Backer zurücklegen würde. Doch was ist ein Chansonnier ohne Chansons? Jahre vergingen, bis ich mich endlich dazu aufraffte, mir die Texte zu schreiben, die mir zur Erfüllung des Berufsziels noch fehlten – und rief Stefan (Wood) an, der seinerseits James (Scannell) anrief – und schon wenige Wochen später waren die Sachen dank der beiden größtenteils zu Liedern gereift. Ich gebe zu – trotzdem ein bißchen spät: Ich bin mittlerweile schon fast 40 und Kristiane Backer ist schneller herangewachsen, als daß ich noch ihr Vater werden könnte – was ich sehr bedauere, denn ich hätte mich von ihr gerne dazu erwählen lassen. Das hört man den Liedern zweifellos auch an: Jedes für sich ist den minderjährigen Mädchen ein den Eltern verheimlichter Freund. Und verheimlichte Freunde sind, wie jedes minderjährige Mädchen weiß und wie jedes ewig ehemals minderjährige Mädchen sich problemlos erinnert, die besten. Erinnerungen also an Tage, wie es sie so nie gegeben hat. Chansons, die zusammen genommen den Augenblick beschreiben, aus dem ich gemacht bin. Schöner läßt es sich eigentlich kaum sagen.
Thomas Palzer, 1996
Pressetext:
Wer kennte nicht seine eigene Plattensammlung? So auch Thomas Palzer. Egal, ob er eine Reise um sein Zimmer oder eine um die Welt unternimmt, ob zu Fuß, mit dem Motorrad, der Eisenbahn oder dem Flugzeug – seine Plattensammlung oder Reste von ihr begleiten ihn. Natürlich nicht in echt, sondern im Kopf. Und dazu macht er sich seinen Reim drauf. Eine Art Karaoke zur persönlichen Plattensammlung – zu jener launischen Version, die entsteht, wenn Teile davon längst in Vergessenheit geraten oder durcheinandergebracht worden sind, falsch datiert oder – mit Zeigefinger und Daumen am Lenkrad – völlig falsch instrumentiert. Also praktisch alle Platten vom Gedächtnis nochmal neu abgemischt und durchgesamplet sind. Wenn dann dazu epische oder lyrische Lieder im Sprechgesang vorgetragen werden – Lieder, die jedes für sich an irgendein anderes erinnern, man fragt sich bloß, an welches -, dann entsteht eine Wirklichkeit, die auf den Namen Chanson getauft ist. „Alles in der Welt ist nur dazu da, um in einen Chanson einzugehen“, hat Thomas Palzer einmal gesagt – aber auch dieser Satz erinnert uns, ehrlich gesagt, an den irgendeines anderen. War es Tony Joe White? Mallarmé? Willy de Ville?
Egal . Thomas Palzer ist ein Mann, der die vorletzte Fassung des Mannes spielt: Er war der erste Serge Gainsbourg in seinem Häuserblock. Und an jenem faunischen Nachmittag wieder einmal ganz besonders. Herausgekommen ist dabei etwas für das Werkzeug, mit dem wir an Musik herangehen: für das entzückte oder erschauernde Rückenmark. Und auf diesem thront bekanntlich das Gehirn – in diesem Fall unter dem dreifaltigen Namen Palzer Scannell Wood zum Singer / Songwriter gereift.
Substanz, 4. April 1996
Die 17 sparsam arrangierten Songgedichte erzählen auch von einem Nord-Süd-Gefälle des deutschen Poparbeitertums, einer Demarkationslinie, die den preußisch-hanseatischen Norden vom eher barocken Süden trennt. Süden ist aber auch Vaudeville, Sumpffieber und Alabama-lama-100. In einem Song wie ,Windjammer Jam’ ist das Murmeln der Fürbitten in das Call & Response-Schema von Gospel und Blues übergegangen, und von da aus darf noch einmal etwas Ritual in das vorausgesetzte Reich der Zeichen eindringen.
taz 1996
Substanz, 4. April 1996