„Die großen Zahlenarchitekturen, wie sie Gauss, Cauchy, Abel, Cantor und Weierstrass entworfen haben, entziehen sich im ständig beschleunigten Tempo der sprachlichen Erfassung, oder vielmehr: sie erfordern und entwickeln eigene Ausdrucksweisen, deren Syntax so artikuliert und kompliziert ist wie die unserer Grammatiken. Und zwischen diesen „Sprachen“ und denjenigen des alltäglichen Gebrauchs, zwischen dem mathematischen Symbol und dem Wort, werden die Brücken immer schmaler, bis sie endlich abgebrochen sind.“ Das schreibt der Schriftgelehrte George Steiner 1962 in einem Essay mit dem wehmütigen Titel Der Rückzug vom Wort.
Weil es im Netz nicht mehr um die Erhöhung von Aufmerksamkeit geht, sondern um die Erhöhung der Reize, wird eine McDonaldisierung des Wissens betrieben – ersichtlich etwa an Wikipedia und dem Fetisch der Listen. Im Netz wird Wissen in Konsumgut verwandelt. Weil es unbegrenzt wachsen kann und wächst und weil es ständig renoviert werden muss, ist es unter dem Aspekt seiner Kapitalisierung das Produkt des Jahrtausends: für ewig den Konsumenten immer wieder neu bzw. erweitert andrehbar. In diese Welt, die auf Stimulation, Signale und Reize setzt, auf Lesen mit Musikbegleitung, um es einmal in Anlehnung an D. H. Lawrence zu sagen, passt das stille und konzentrierte Lesen nicht.