Lese und bleibe (III)

 

 

Die Bibliothek als Kathedrale des Buchs

 

Der Münchner Schriftsteller Thomas Palzer arbeitet – oft unter philosophischen Fragestellungen – neben dem literarischen Schreiben auch als Autor für Radio und Fernsehen. Für seinen Roman Ruin erhielt er 2005 den Tukan-Preis. Zuletzt erschien der Roman Nachtwärts. Im Literaturportal Bayern wird er in den nächsten Monaten regelmäßig über philosophische Themen reflektieren, die sich im weiteren Feld von Bibliothek – Schrift – Archiv bewegen. Im dritten Teil geht es nach dem Buch und dem Roman nun um die große Aufgabe der Institution Bibliothek.

siehe auch: Thomas Palzer Das kommende Buch

Abschiedsblues (ARD-alpha Campus Magazin)

Zehntausende Studenten machen jedes Semester ihren Uni-Abschluss. Und dann ist er plötzlich da: der letzte Uni-Tag. Was für den einen ein Grund zur Freude, ist für den anderen mit Wehmut verbunden: Kommilitonen, Hörsaal, Studentenleben. Von all dem heißt es Abschied nehmen. Campus Magazin geht den Weg mit.

Abschiedsblues

20. Juli 2017

ÜBER DIE ERFAHRUNG IM ROMAN (II)

„Die großen Zahlenarchitekturen, wie sie Gauss, Cauchy, Abel, Cantor und Weierstrass entworfen haben, entziehen sich im ständig beschleunigten Tempo der sprachlichen Erfassung, oder vielmehr: sie erfordern und entwickeln eigene Ausdrucksweisen, deren Syntax so artikuliert und kompliziert ist wie die unserer Grammatiken. Und zwischen diesen „Sprachen“ und denjenigen des alltäglichen Gebrauchs, zwischen dem mathematischen Symbol und dem Wort, werden die Brücken immer schmaler, bis sie endlich abgebrochen sind.“ Das schreibt der Schriftgelehrte George Steiner 1962 in einem Essay mit dem wehmütigen Titel Der Rückzug vom Wort.

Weil es im Netz nicht mehr um die Erhöhung von Aufmerksamkeit geht, sondern um die Erhöhung der Reize, wird eine McDonaldisierung des Wissens betrieben – ersichtlich etwa an Wikipedia und dem Fetisch der Listen. Im Netz wird Wissen in Konsumgut verwandelt. Weil es unbegrenzt wachsen kann und wächst und weil es ständig renoviert werden muss, ist es unter dem Aspekt seiner Kapitalisierung das Produkt des Jahrtausends: für ewig den Konsumenten immer wieder neu bzw. erweitert andrehbar. In diese Welt, die auf Stimulation, Signale und Reize setzt, auf Lesen mit Musikbegleitung, um es einmal in Anlehnung an D. H. Lawrence zu sagen, passt das stille und konzentrierte Lesen nicht.

ÜBER DIE ERFAHRUNG IM ROMAN

 

ZWISCHEN PIXEL UND PAPIER (I)

 

Der Münchner Schriftsteller Thomas Palzer arbeitet – oft unter philosophischen Fragestellungen – neben dem literarischen Schreiben auch als Autor für Radio und Fernsehen. Für seinen Roman Ruin erhielt er 2005 den Tukan-Preis. Zuletzt erschien der Roman Nachtwärts. Im Literaturportal Bayern wird er in den nächsten Monaten regelmäßig über philosophische Themen reflektieren, die sich im weiteren Feld von Bibliothek – Schrift – Archiv bewegen. Zum Auftakt geht es gleich um seinen Mittelpunkt: das Buch.

ZWISCHEN PIXEL UND PAPIER

Fremdgehen. Grammatische Reflexionen

Das Problem jeder Sprache ist, dass sie in Kontakt mit anderen steht. So äußerst sich Kulturkritik mit Vorliebe als Kritik an Wörtern: Welches Fremdwort ist gut, welches überflüssig, und welches schlecht. An den Wörtern besteht das größte Interesse, denn Wörter gehören zum wichtigsten Bestandteil der Sprache. Das Metawissen über Sprache nennen wir „Grammatik“ – knowing what. Eine Sprache sprechen können bedeutet dagegen: knowing how.
Jede Grammatik ist eine Philosophie der Sprache – eine unter vielen möglichen -, und als solche ein Kind des Alphabets. Grammatik ist die Schlüsseltechnologie unserer Zivilisation. Sie kann nicht erlernt, sie muss intuitiv erfasst werden. Historisch gewachsen, ist das Verhältnis der Grammatik zur Muttersprache nicht theoretisch – wie oft geglaubt wird -, sondern ästhetisch. Es braucht Geschmack, um reden und argumentieren zu können, denn man muss nicht nur wissen, was zu sagen ist, sondern auch, wie es zu sagen ist. Der Muttersprachler „hört“, ob ein Satz so geht oder nicht so geht. Grammatik selbst wird gern beschrieben durch die Metapher des Ingenieurs: Man baut Sätze, konstruiert Satzbaupläne oder komplexe grammatische Gebilde.
Wenn wir an Grammatik denken, haben wir eher gemischte Gefühle. Der Grammatiker Robert Stockhammer von der LMU München sagt: “Das grammatische Wissen ist Macht, die vor allem in der Regulierung des Fremden mit den Mitteln der Schrift ausgeübt und in der Literatur reflektiert wird.“

FREMDGEHEN. GRAMMATISCHE REFLEXIONEN

Von Thomas Palzer.

Mit Axel Gottschick, Susanne Reuter, Bernd Reheuser.

Technik: Andreas Fulford.

Regie und Redaktion: Barbara Schäfer.

IN DEN KÖRPER HINABSTEIGEN. REISE ZU EINEM FREMDEN ORT

 

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Autor Thomas Palzer

 

IN DEN KÖRPER HINABSTEIGEN.
REISE ZU EINEM FREMDEN ORT

Feature von Thomas Palzer

mit Prof. Dr. Gernot Böhme, Philosoph; Ralf Hanrieder, Bestatter; Judith Brauneis, Präparatorin

Sound Design: Lorenz Schuster

Regie: Alexandra Distler

Redaktion: Ulrike Ebenbeck

ESS: 22. 10. 2016, 13:05 – 14:00 Uhr / 23. 10. 2016, 21:05 – 22:00 Uhr

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Soundkünstler Lenz Schuster

 

Der Körper – er ist uns so nah, und doch kennen wir ihn nicht. Zwar haben wir einen Körper, doch sind wir nicht der Körper. Heute existiert der menschliche Körper in einer spannenden und verstörenden Umbruchszeit. Einerseits wird um ihn ein Kult sondergleichen betrieben, andererseits glaubt die Welt, in der wir leben, dass körperliche Präsenz nicht vonnöten ist. Hört der Körper an seinen physischen Grenzen auf? Sind wir tatsächlich Eigentümer und Betreiber des Körpers? Ist der Körper ein Behälter, in dem wir selbst vorkommen wie die Pflanze im Topf?
Schon lange wird im Körper kein eigenständiges „Subjekt“ mehr gesehen; er gilt als Konstrukt kultureller und sprachlicher Praktiken. Der Körperkult scheint Antwort auf diese umfassende Entwertung zu sein.
Betrachten wir uns im Spiegel, gehören wir zur Außenwelt; wenn wir aber fühlen oder uns etwas ausmalen, sind wir Teil unserer Innenwelt. Der Kör-per ist jene Natur, die wir selbst sind. Wir existieren also auf beiden Seiten dieser Grenze – der Haut. Wir sind intern und zugleich extern – etwa in Ek-stase.
Das Feature fragt nach dem Körper als eigenständiges Subjekt, als essenti-elle Leiblichkeit – jenseits der Biologie. Es sucht nach Spuren und Phäno-men, die den Körper wieder in sein Recht setzen, denn nur mit dem Körper können wir Leben – erleben. Inkarniert sein – das bedeutet: bei etwas sein, in der Nähe sein.
Hör dir deinen Körper an – das ist ein fremder Ort!

 

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SPRENGREITER (Neuauflage) Prolog

Kriegszeitschrift aus dem Französischen von 1984 für das junge 21. Jahrhundert wiederentdeckt.

DER SPRENGREITER (Neuauflage)

 

LUMPENPROLETARIAT

 

 

Bewunderung zeigen die Menschen nur für das Unverdiente – was verdient ist (in jedem nur denkbaren Sinn), wird niemals angebetet, verherrlicht, vergöttert. Was wäre auch ein Vermögen, das seinen Grund in Leistung hat, in Anstrengung oder gar Arbeit? Es wäre verdient, wäre Geld wert, also nichts. Wer aber von Natur aus mit Talenten gesegnet ist – wer schön ist oder geistreich oder begabt -, der hat sich diese nicht verdient, hat sie einfach so, wird also bewundert. So geht die Logik des Vermögens.

Ein Talent kann sich jederzeit und überall der Gunst der Mitmenschen sicher sein. Nicht von ungefähr benannte in der Antike der Begriff Talent Maß und Währung. Denn es ist überhaupt nur das Talent, das etwas zu gewährleisten vermag, das für etwas einstehen kann. Währungen, die nur auf Vereinbarung beruhen, also echtes Geld, sind immer Gefahren ausgesetzt – dem galoppierenden Vertrauensverlust, der Überproduktion (wozu man Inflation und Hyperinflation sagt), der grundlegenden Reform, dem Kollaps, dem scheibchenweisen Diebstahl – und anderes mehr. Geld ist halt nichts wert.

Ein Talent kann weder gestohlen werden, noch kann es inflationär an Wert verlieren. Ein Talent, sofern das in einer Welt wie der unseren überhaupt möglich ist, ist unzerstörbar, nicht delegierbar, nicht elektrifizierbar, unteilbar, nicht verhandelbar. Ein Talent ist alles. Es ist ein Vermögen. Wer keins hat, ist arm dran, und das gerade dann, wenn er über haufenweise Geld verfügt, ja, wenn er im Geld schwimmt.

Das häufigste Motiv früher Münzen war das Opfertier. Wie das Opfertier ist auch das Geld Sündenbock. Geld verrechnet – das eine mit dem anderen (der Sündenbock verrechnet die Sünden mit der im Opfergang einbeschlossenen Reue). Geld ist reine Formsache. Es selber ist nichts – aber es kann alles bedeuten. Ein Talent ist ganz anders: Es bedeutet nicht, denn es ist selbst die Bedeutung.

In God we trust steht bekanntlich auf den Dollarnoten zu lesen – ein Satz, der interessanterweise nicht für Vertrauen in die theologische, sondern für Vertrauen in die fiskalische Fiktion wirbt. Wir vertrauen darauf, dass wir für Banknoten Waren und Dienstleistungen kaufen können. Im Geld und vor allem in dem Vertrauen, welches wir in Geld setzen, verschränken sich Sinn und Sein. Die Dinge werden von ihrer puren Positivität erlöst und bekommen einen – Wert. Aber jedem Wert folgt als logischer Schatten die Entwertung, der Unwert, die Abwertung. Und irgendwann wird alles von seinem Schatten eingeholt und annulliert.

Unsere Ökonomie funktioniert genau falsch herum. Arbeit, Anstrengung, Mühsal, Hetze, Arbeit sind nichts wert. Sie sind nur der Dienst am Verdienst. Wir haben uns daran gewöhnt, zu der totalen Wertlosigkeit Geld zu sagen. Bewunderung, Verherrlichung, Anbetung – das verdient nur das Talent. Weil es unverdient ist, eben ein Vermögen, ein Schatz.

 

August 2016 © Thomas Palzer

 

 

FIRST CONTACT. WAS, WENN DIE ERDE BESUCH BEKOMMT

First. Contact. Was wenn die Erde Besuch bekommt
Feature von Thomas Palzer.

Mit der Planetenforscherin Daniela Tirsch, der Astrophysikerin
und -biologin Barbara Stracke, dem Exopolitiker Robert Fleischer – sowie Johannes Geldhaus und Markus Frank vom Weltraumlage-Zentrum der Luftwaffe, Uedem und dem Korrespondenten des Bayerischen Rundfunks, Oliver Bendixen.
Die Nachrichten sprach Thorsten Schröder.
Sprecher: Katja Bürkle und Christian Baumann
Moderation: Birgit Frank
Regie: Martin Heindel
Redaktion Ulrike Ebenbeck

prix-europa-2016

Die NASA ist davon überzeugt, dass in den nächsten Jahren extraterrestrisches Leben entdeckt werden wird – und mit ihr sind es die meisten Naturwissenschaftler und die Mehrheit der deutschen Bevölkerung. Aber werden wir außerirdisches Leben überhaupt als solches erkennen können? Und was bedeutet seine Existenz, wenn es denn existiert, für uns – für die Stellung des Menschen im
Kosmos?

Im Oktober 1997 gestartet, untersucht die Cassini-Sonde seit elf Jahren den Saturn und seine Monde. Und inzwischen hat er auf den Monden Io, Europa, Titan und
Enceladus flüssiges Wasser entdeckt – in Form von gigantischen Ozeanen unter
einer dicken Eisschicht. Es ist mehr als wahrscheinlich, dass demnächst dort
primitives Leben nachgewiesen werden kann – und der Unterschied zwischen
primitivem und intelligentem Leben ist bekanntlich nur eine Frage der Zeit.

Das Feature stellt sich dem Szenario, dass die Erde Besuch bekommen hat – von einer Sonde aus zweifelsfrei nicht-terrestrischer Hand. Was passiert, wenn wir entdecken
müssen, dass wir besucht worden sind – und von einer Sonde beobachtet werden,
die den Instrumenten ähnelt, mit denen wir ansonsten andere Planeten besuchen
und beobachten.

Wird das der so genannte First Contact sein – und: Was nun?

http://www.luftwaffe.de/portal/a/luftwaffe/!ut/p/c4/04_SB8K8xLLM9MSSzPy8xBz9CP3I5EyrpHK9nHK9_KJ0vbTSVCArOyW_AMzSDwfpSEnVS87PSy0BkSWpeSWZQDK9KLEkv0ivIL-oJAckU1pUBJTRy0zRjzQwdHEyMDOAAcMaC28zD-MoIwtzF0-nIP2C3FxHALS4mbw!/

http://www.dlr.de/dlr/desktopdefault.aspx/tabid-10252/

 

Ein Re-model des Hörfunk-Features auf YouTube – a-legal bebildert.

 

Lothringer 13: Echo of Untouched Matter

Echo of untouched matter

15. Januar – 20. März 2016
Atsushi Wada
Jason Fulford
Katrin Petroschkat
Ryan Thompson
Shimabuku
Ulrich Gebert

Ulrich Gebert, UR (1286), 2015

Ulrich Gebert, UR (1286), 2015
Eröffnung 14.01.2016, 19h

Kurator: Jörg Koopmann

http://www.lothringer13.com/ausstellungen/echo-of-untouched-matter-2/

 

 

HANDZETTEL:

Echo_of_Untouched_Matter_01

 

Echo_of_Untouched-Matter_02

Verzettelt. Im Labyrinth der Wörter

© picture alliance / dpa / Peter Endig

Es gibt Wörter, für die es in anderen Sprachen kein Wort gibt.

Verzettelt. Im Labyrinth der Wörter
von Thomas Palzer
deutschlandfunk, 25. 09. 2015, 20:10 Uhr

mit Ute Frevert und Anselm Haverkamp

Regie: Claudia Kattanek
Ton & Technik: Wolfgang Rixius und Katrin Fidorra
Redaktion: Tina Klopp

Sprecher: Nikolaus Benda /Johannes Benecke /Olev Zhukov / und der Autor

Bücher bestehen aus Wörtern und Sätzen, aber in der Regel geht es in ihnen nicht um Wörter. Vielmehr geht es um die Geschichten, die erzählt werden. Bücher, in denen es explizit um Wörter geht, heißen Wörterbuch. Auch sie erzählen Geschichten – von dem Wissen, das in Wörtern gespeichert ist.

Von dem Bedeutungswandel, denen Wörter unterliegen; von der Art, wie sich in ihnen die Kunst der Benennung ausdrückt; von der Nährlösung, aus denen sich Begriffe kristallisieren – und vielem mehr. Es gibt Wörter, für die es in anderen Sprachen kein Wort gibt. Und es gibt Wörter, die gerade nicht wörtlich zu nehmen sind, sogenannte Metaphern. Für beides gibt es Wörterbücher. Das Wort Wörterbuch leitet sich ab vom griechischen lexikon oder biblion. In Wörterbüchern manifestiert sich der grundlegende Akt des Menschseins: das Übersetzen.

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